Bienenwabe / Heike Dommnich |
Sehr schnell habe ich gelernt, dass zwei Imker erst einmal drei Meinungen haben. Als Neuling sucht man sich eine der drei heraus, nämlich die, welche in der jeweiligen Situation am passendsten zu sein scheint. Da ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass Bienenzüchter auch jeweils ihre Zuchtlinie favorisieren. Auch bei anderen Haustierhaltern gibt es zahlreiche Anhänger, die sich der Erhaltung von alten Nutztierrassen widmen. Bei Schafen, Rindern und Schweinen ist dies ganz normal und vor allem erfreulich. Es wird öffentlich positiv anerkannt (und das auch von den Kollegen), dass es Landwirte gibt, die sich nicht nur von der Ökonomie leiten lassen, Landwirte, die ihr Rolle auch darin sehen, Haustiere artgerecht zu halten. Und das bedeutet eben auch, alte Rassen zu pflegen, die typisch für eine Region sind. Oft sind diese Züchtungen nicht diejenigen, welche am meisten Milch, Fleisch oder Eier bringen, sondern die, die am besten mit den Gegebenheiten ihres Landstrichs harmonieren. Sie sind widerstandsfähig, robust und manchmal sicher auch eigenwillig. Warum wird das den Imkern nicht zugestanden?
Nun liegt es in der Natur der Bienen, dass diese fliegen. Meine Königinnen schlüpfen am Stand, ziehen aus zum Hochzeitsflug und paaren sich mit den Drohnen, die die Umgebung hergibt. In einem winzigen Ort mit vier Imkern sind das selbstverständlich Carnica-Völker, wird doch diese Rasse auch in meinem Verein als die wahre brauchbare Biene betrachtet. Eine zaghafte Frage während einer Versammlung nach der Meinung zur Dunklen Biene wurde kaum beachtet, so abwegig schien das Thema. Ich habe nie wieder danach gefragt. Es freut mich daher besonders, dass es Imker gibt, die sich nicht beirren lassen, und der Dunklen Biene wieder eine Chance geben. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Südländer-Bienen, sprich die Carnica-Züchtungen, hier nördlich der Alpen nicht alle Wildpflanzen bestäuben, weil sie diese aus ihrer südlichen Heimat nicht kennen. Das macht mich besonders nachdenklich. Sprechen wir nicht von einer gewünschten Biodiversität? Bemängeln wir nicht gerade den Rückgang von Wildpflanzen? Wünschen wir uns nicht eine bunte Vielfalt von Kräutern und Blumen am Feldrand?
Wenn die Nordbiene die im Norden der Alpen heimische Biene ist (oder war), so sollte es nur gut sein, wenn sie hier endlich wieder fliegt und all die Pflanzen bestäubt, die für sie zur normalen Umwelt gehören. Die Züchter von Bienen (welchen auch immer), sollten sich nicht gegeneinander ausspielen, sondern miteinander Reden. Ohne Zweifel ist das für Bienenhalter noch wichtiger als bei Züchtern von anderen Haustieren. Diese können leichter beeinflussen, dass der Nachwuchs ihrer Tiere reinrassig bleibt. Bienen sind Haus- und Wildtiere zugleich. Man kann die Königin künstlich besamen. Die meisten kleinen Imker halten ihre Bienen jedoch ohne sich speziell mit der Zucht zu beschäftigen. Die Königinnen schlüpfen und werden von den Drohnen der Umgebung befruchtet. Im Sinne der Bienen und der Umwelt muss es möglich sein und bleiben, auf diese unkomplizierte Art, Imker zu sein.
Für mich als kleine Imkerin mit vier bis sechs (auch schon 10) Völkern, spielt es nicht so sehr die Rolle, ob ich 10, 15 oder 20 Kilogramm Honig pro Volk ernte. Für meine Familie und die interessierten Nachbarn und Freunde reicht es. Wichtiger wäre mir eine Biene, die mit der Milbe und unserem inzwischen seltsamen Wintern (von warm bis plötzlich brechend kalt) gut zurecht kommt. Nach dem, was ich inzwischen von der ehemals heimischen Nordbiene gehört und gelesen habe, scheint mir diese Eigenschaften zu haben, die meinen Wünschen durchaus entsprechen. Auch jetzt gehören für mich Schleier, Smoker und Handschuhe zur Ausrüstung. Viele Imker, egal welche Rasse sie halten, wissen, das es immer mal wieder stechlustige Völker gibt. Ich finde es nicht richtig, gerade Neuimkern immer nur etwas von friedlichen Bienen zu erzählen. Sicher sind diese Völker die besseren und zum Glück auch in der Mehrheit, aber ein Imkerleben ohne die anderen wird es wohl nicht geben.
Ich wünsche mir eine Biene, die robust ist und mit den heutigen Gegebenheiten klar kommt. Dazu gehört auch eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen Schadstoffe in der Umwelt. Dazu gehört, dass sie einen ungewöhnlich warmen Januar und einen folgenden sehr kalten Februar überlebt. Dazu gehört es auch, dass diese bei nasskaltem April genug Nahrung für den Nachwuchs findet. Wenn die Dunklen Immen noch bei kaltem Wetter und Regen fliegen, während die anderen sich bereits nicht mehr heraustrauen, so scheint mir das wichtiger, als der Honigertrag. Auch deren Verteidigungswillen gegen Wespen und Hornissen betrachte ich mit Wohlwollen, beobachte ich doch jedes Jahr Hornissen, die in der nahen Umgebung leben, von den aufdringlichen Wespen ganz zu schweigen.
Zum Schluss möchte ich hier noch ein Geständnis ablegen. Wenn ich vor fünf Jahren geahnt hätte, dass die Bienenhaltung so viel Wissen erfordert, so viel Arbeit macht und doch (aus meiner Sicht) recht kompliziert ist, hätte ich mich nicht auf dieses Hobby eingelassen. Sicher genieße ich es, eigenen Honig zu haben und sehe die Bienen mit Stolz fliegen. Allerdings ist der finanzielle Einsatz erheblich und auf die Frage, wie viele Völker kommen über den Winter, könnte ich auch verzichten. Inzwischen hätte ich jedoch ein schlechtes Gewissen, mit der Imkerei aufzuhören. Nicht weil ich meinen eigenen Honig brauche, sondern weil ich mir Sorgen um die Bienen mache. Wie lange haben wir noch, bis die Obstbauern in Werder oder anderswo sich Bienen einfliegen lassen, weil die unsrigen hier nicht mehr ausreichen? Wenn es dann noch Immen gibt, die eingeflogen werden können. Und ob diese dann friedlich und ertragreich sind, dürfte den Landwirten egal sein. Sie brauchen die Bestäubungsleistung und nicht den Honig. Sie wollen Kirschen ernten, egal ob in den Bäumen die Dunkle Biene oder eine Carnica-Züchtung fliegt.
Liebe Bienenzüchter, liebe Forscher in den Bienenländerinstituten, liebe Bienenhalter, liebe Verantwortlichen in den Vereinen und Verbänden, wenn 80 Prozent der Bienen von Kleinimkern gehalten werden, wie ich es bin, dann achtet darauf, dass die Interessen dieser kleinen eigentlich die sind, die ihr vertreten sollt. Die kleinen brauchen eine robuste Biene. Vielleicht wird es Zeit, sich auf die einheimischen Bienen zu besinnen und bei diesen die Sanftmut zu fördern, wie es bei den anderen Rassen seit Jahrzehnten getan wird. Die Biene des kleinen Mannes sollte robust sein und mit der Varroa-Milbe und den von dieser übertragenen Krankheiten zurecht kommen. Der Honigertrag tritt in Zeiten des Bienensterbens in den Hintergrund, ebenso die Sanftmut. Sie ist gewünscht, für die Kirschenernte jedoch nicht notwendig.
Somit hoffe ich, dass die Verantwortlichen nicht gegeneinander wirken, sondern gemeinsam für alle Imker eine Lösung finden, im Sinne der Biene als Haus- und als heimisches Wildtier.
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Großartig!
AntwortenLöschenVielen Dank für diesen Blog.
Ich selbst beginne im Frühjahr mittels Anfängerkurs mit der Imkerei. Ich bin super neugierig, lese mir jetzt schon viel an, habe aber auch schon eine große Portion Respekt vor der bevorstehenden Arbeit.
In diesem Zusammenhang ist es eine Wohltat einen Artikel zu lesen der nicht völlig fanatisch ist, vor Floskeln strotzt oder in einer Weise von "Rassenreinheit" spricht, die mir Angst macht.
Ich habe noch keine Ahnung welche Rasse von Bienen es bei mir werden wird. Um so wichtiger sind für mich neutrale Informationen.
Nochmals herzlichen Dank für diesen Artikel.
Liebe Grüße, Andreas
Danke für dieses Lob. :-)
AntwortenLöschenIch habe letztens eine Doku über die "kontrollierte Bienenzucht" gesehen, wobei die Königinnen teilweise von dem Samen ausgewählter Drohnen künstlich befruchtet werden. Das Vertrauen in die Natur scheint wohl heutzutage verloren.
AntwortenLöschenHallo Frau Dommnich,
AntwortenLöschendas ist ein sehr guter, vom neutralen Standpunkt geschriebener Artikel.
Zu ihrem "Geständnis" kann ich nur sagen, dass ich genau aus diesem Grunde Bienen halte. Man muss seinen Kopf schon ein wenig bemühen.
Erst hat man Bienen, dann haben die Bienen einen.
Gruß
Volker